Allgemeines
Am 23. November 2022 hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) die Entwürfe für 12 branchenunabhängige Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards der Europäischen Kommission vorgelegt. Im nächsten Schritt hat die Europäische Kommission die finalen ESRS-Entwürfe zu prüfen und bis Juni 2023 als delegierten Rechtsakt anzunehmen. Diese Standards werden nach ihrer Verabschiedung von Unternehmen, welche der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) unterliegen, angewendet. Dies soll sicherstellen, dass Unternehmen ihre Auswirkungen auf Mensch und Umwelt sowie die Risiken, welche durch den Klimawandel entstehen, vollständig transparent offenlegen.
Einen allgemeinen Überblick zu den bereits vorliegenden ESRS finden Sie in unserem Artikel European Sustainability Reporting Standards.
Die ESRS gliedern sich in vier Kategorien: Cross-cutting Standards, Environment, Social und Governance. In diesem Artikel wird auf Basis des englischen finalen Drafts der Standard ESRS 1 General requirements näher beleuchtet, welcher den Cross-cutting Standards zugeordnet werden kann. Das Ziel des ESRS 1 ist es, grundlegende Anforderungen an die nichtfinanzielle Berichterstattung gemäß der CSRD zu stellen.
ESRS 1 ist inhaltlich wie folgt aufgebaut:
- Kategorien von Standards und Offenlegungen im Rahmen der ESRS
- Qualitative Anforderungen an Informationen
- Doppelte Wesentlichkeit
- Nachhaltigkeits-Due Diligence
- Wertschöpfungskette
- Zeithorizonte
- Vorbereitung und Präsentation nachhaltigkeitsbezogener Informationen
- Struktur von Nachhaltigkeitserklärungen
- Verknüpfung mit weiteren Teilen der Unternehmensberichterstattung
- Übergangsbestimmungen
Kategorien von Standards und Offenlegungen im Rahmen der ESRS
Im Allgemeinen sollen bei der Berichterstattung gemäß ESRS alle wesentlichen Informationen über Auswirkungen, Risiken und Chancen eines Unternehmens in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsfragen als Teil des Lageberichts offengelegt werden. Die Anforderungen an die Offenlegungen beziehen sich auf die Bereiche Unternehmensführung (Governance), Strategie (Strategy), Auswirkungs-, Risiko- und Chancenmanagement (Impact, risk and opportunity management) sowie Messgrößen und Ziele (Metrics and targets). Die ESRS können in themenspezifische und unternehmensspezifische Standards unterteilt werden. Themenspezifische ESRS werden in sektorspezifische und sektorunabhängige ESRS unterteilt. Wenn ein wesentliches Thema durch die ESRS nicht oder unzureichend abgedeckt ist, ist es konzeptionell so vorgesehen, dass Unternehmen eigene unternehmensspezifische Offenlegungsstandards entwickeln.
Qualitative Anforderungen an Informationen
Bei der Erstellung einer Nachhaltigkeitserklärung soll die Berichtsqualität durch die Grundsätze Relevanz und glaubwürdige Darstellung von Informationen, sowie Vergleichbarkeit, Überprüfbarkeit und Verständlichkeit sichergestellt werden.
Doppelte Wesentlichkeit
Die Berichterstattung nach ESRS ist vom Prinzip der doppelten Wesentlichkeit geprägt und Unternehmen sollen Nachhaltigkeitsinformationen auf Basis dessen offenlegen. In dem Prozess der Wesentlichkeitsanalyse sind die Stakeholder des Unternehmens miteinzubeziehen. Das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit berücksichtigt einerseits die Wesentlichkeit von Auswirkungen und andererseits die finanzielle Wesentlichkeit, wobei die beiden miteinander verknüpft sind. Ein Nachhaltigkeitsaspekt zeigt wesentliche Auswirkungen, wenn er sich auf wesentliche tatsächliche oder potenzielle, positive oder negative Auswirkungen des Unternehmens auf Mensch oder Umwelt auf kurze, mittlere oder lange Sicht bezieht. Die finanzielle Wesentlichkeit ist erfüllt, wenn ein Nachhaltigkeitsaspekt kurz-, mittel- oder langfristig wesentliche finanzielle Auswirkungen auf die Ertragslage hat oder haben kann. Unternehmen müssen zunächst eine Wesentlichkeitsanalyse durchführen, um die wesentlichen Auswirkungen, Chancen und Risiken zu identifizieren. Unterstützend soll eine im Anhang des Standards enthaltene Liste an Nachhaltigkeitsaspekten herangezogen werden. Ergibt die Wesentlichkeitsanalyse, dass ein Nachhaltigkeitsaspekt wesentlich ist, muss das Unternehmen darüber berichten. Stufen Unternehmen einen Nachhaltigkeitsaspekt nach Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse als unwesentlich ein, muss eine Begründung dargelegt werden. Unabhängig vom Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse werden im ESRS 1 Informationen dargestellt, die jedenfalls offenzulegen sind.
Nachhaltigkeits-Due Diligence
Die Ergebnisse eines Nachhaltigkeits-Due Diligence Prozesses sollen zur Bewertung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen, Informationen liefern. Bei dem Due Diligence Prozess sollen potenzielle und tatsächliche negative Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Menschen identifiziert, verhindert und entschärft werden. Die Elemente der Nachhaltigkeits-Due Diligence werden in ESRS 2: General disclosures genauer beleuchtet. Die Einbettung von Nachhaltigkeits-Due Diligence in die Unternehmensführung, die Strategie und das Business Model, sowie die Bedeutung von Stakeholder Engagement in diesem Zusammenhang werden darin genauer beschrieben.
Wertschöpfungskette
Jenes Unternehmen, welches für die Jahresabschlüsse zuständig ist, ist auch für die Berichterstattung der Nachhaltigkeitserklärung verantwortlich. Das berichterstattende Unternehmen muss auch die wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette des Unternehmens in die Berichterstattung miteinbeziehen. Wenn Informationen über die Wertschöpfungskette nicht oder nur unzureichend erhoben werden können, muss das Unternehmen, die zu meldenden Informationen unter Heranziehung angemessener Informationen schätzen.
Zeithorizonte
Der Berichtszeitraum für die Nachhaltigkeitsberichterstattung muss mit jenem der finanziellen Berichterstattung übereinstimmen. Bei der Berichterstattung sollen kurzfristige, mittelfristige und langfristige Zeithorizonte beachtet werden.
Vorbereitung und Präsentation nachhaltigkeitsbezogener Informationen
Unternehmen müssen für alle in der aktuellen Periode angegebenen Kennzahlen Vergleichsinformationen für ein Jahr offenlegen. Dies betrifft auch beschreibende und erläuternde Nachhaltigkeitsangaben. Weichen die Kennzahlen der Jahre voneinander ab, müssen der Differenzbetrag sowie den Grund für die Abweichung darlegt werden. Bei Schätzungen und Annahmen z.B. im Bereich der Wertschöpfungskette muss das Unternehmen diese genau beschreiben und erläutern.
Struktur von Nachhaltigkeitserklärungen
Der:die Leser:in soll zwischen den nach ESRS offenzulegenden Informationen und anderen Angaben im Lagebericht unterscheiden können. Außerdem müssen Unternehmen eine Struktur wählen, die die Informationen leicht erfassbar macht und sowohl für Menschen als auch Maschinen lesbar ist. Ergänzend zu den ESRS können Unternehmen auch andere Standards heranziehen, die sich aus lokalen Rechtsvorschriften oder internationalen Standards ergeben.
Verknüpfung mit weiteren Teilen der Unternehmensberichterstattung
Die offengelegten Angaben sollen den Adressaten ermöglichen, die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Informationen über Auswirkungen, Risiken und Chancen in diesen Angaben sowie anderen Bereichen der Unternehmensberichterstattung zu beurteilen. Das Unternehmen muss daher alle Angaben in einem einzigen Abschnitt des Lageberichts darstellen, ausgenommen, es ist eine Darstellung durch Verweis gestattet. Angaben dürfen durch Verweis auf einen anderen Abschnitt des Lageberichts oder andere Dokumente, wie den Jahresabschluss, gemacht werden, wenn die Dokumente zeitgleich mit dem Lagebericht veröffentlicht werden, mindestens denselben Grad an Sicherheit aufweisen wie die Nachhaltigkeitsangaben, und die technischen Digitalisierungsvorgaben erfüllen. Die Angaben, die durch Verweis gemacht werden, müssen eindeutig als der Offenlegungspflicht nach CSRD entsprechende Angaben identifizierbar sein.
Übergangsbestimmungen
Es gibt Übergangsbestimmungen für die ersten drei Nachhaltigkeitserklärungen hinsichtlich unternehmensspezifischer sowie auf die Wertschöpfungskette bezogener Informationen. Aufgrund der Weiterentwicklung der Standards, ist zu erwarten, dass die Notwendigkeit an unternehmensspezifischen Offenlegungen geringer wird. Falls dem Unternehmen gewisse Informationen zur Wertschöpfungskette nicht zur Verfügung stehen, darf das Unternehmen in den ersten 3 Jahren Gründe für das Fehlen der Information, sowie Pläne, wie die Informationen beschaffen werden, darlegen. Sind innerhalb der Wertschöpfungskette eines berichterstattenden Unternehmens KMUs betroffen, gibt es ebenfalls Erleichterungen für zu berichtende Informationen innerhalb der ersten drei Berichte. Ebenfalls dürfen Unternehmen im ersten Bericht die Angabe von Vergleichszahlen vernachlässigen.